Nachdem bereits am 13. März 2024 der Regierungsentwurf für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz1 veröffentlicht wurde, ist jetzt eine Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Änderungsantrag zu dem Gesetzesentwurf2 publik geworden, der weitere Entlastungen bringen soll, auch und gerade für börsennotierte Aktiengesellschaften. Mit den in dem Antrag vorgesehenen Gesetzesänderungen sollen börsennotierte Gesellschaften bei Veröffentlichungen im Rahmen der Vorbereitung ihrer Hauptversammlung entlastet werden.
Seit Inkraftttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) sind börsennotierte Gesellschaften verpflichtet, jährlich einen Vergütungsbericht zu erstellen (§ 162 des Aktiengesetzes (AktG)) und diesen der Hauptversammlung zur Billigung vorzulegen (§ 120a Abs. 4 AktG). Bei börsennotierten kleinen und mittelgroßen Gesellschaften genügt zwar eine beschlusslose Erörterung auf der Hauptversammlung, zumindest die Pflicht zur Vorlage des Berichts bleibt aber unverändert bestehen (§ 120a Abs. 5 AktG). Außerdem muss die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft seit Inkrafttreten des ARUG II in regelmäßigen Abständen über das Vergütungssystem für ihre Vorstandsmitglieder (§ 120a Abs. 1 AktG) und die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 113 Abs. 3 AktG) Beschluss fassen.
Für Unmut sorgt dabei, dass die Unterlagen zu den jeweiligen Beschlussgegenständen (Vergütungsberichte, Vergütungssysteme, Satzungsregelungen) nach den derzeit geltenden Regelungen vollständig mit der Einberufung der Hauptversammlung bekannt zu machen sind (§ 124 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG). Das Gesetz verlangt damit, dass die genannten Unterlagen vollumfänglich im Bundesanzeiger veröffentlicht werden, als Bestandteil der Einladung zur Hauptversammlung. Dies hat gerade wegen des typischerweise erheblichen Umfangs des jährlich vorzulegenden Vergütungsberichts zur Folge, dass die durchschnittliche Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaften mittlerweile kaum einmal noch weniger als 50 Seiten umfasst. Das ist nicht zuletzt deshalb problematisch, weil bei derart umfangreichen Dokumenten der Zeitraum zwischen der Einreichung der Unterlage beim Bundesanzeiger und der – für die fristgerechte Einberufung maßgeblichen – Veröffentlichung im Bundesanzeiger nicht wie bei kurzen Einladungen (von bis zu 25 Seiten) zwei Publikationstage beträgt, sondern in der Regel nicht weniger als drei Tage. Die notwendige Vorlaufzeit für die Einberufung der Hauptversammlung wird dadurch faktisch verlängert. Außerdem bergen die in den Vergütungsberichten regelmäßigen enthaltenen Grafiken ein erhöhtes Risiko, im Bundesanzeiger nicht richtig wiedergegeben zu werden, was zunehmend zeitkritische Korrekturveröffentlichungen notwendig macht.
Der vor diesem Hintergrund geäußerten Kritik der Praxis nimmt sich die Bundesregierung jetzt mit einer Formulierungshilfe an, die in den bereits laufenden Gesetzgebungsprozess für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz (zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung haben wir bereits hier berichtet) einfließen soll. Der in der Formulierungshilfe enthaltene Änderungsantrag zu dem Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Notwendigkeit zur Bekanntmachung von Vergütungsberichten und Vergütungssystemen im Bundesanzeiger in Zukunft entfällt. Sofern in der Hauptversammlung vergütungsbezogene Beschlüsse gefasst werden, sollen die Gesellschaften die Unterlagen zu den jeweiligen Beschlussgegenständen den Aktionären künftig vielmehr nur noch über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich machen, wie dies bislang schon für verschiedene andere Unterlagen für börsennotierte Gesellschaften vorgeschrieben ist. Hierzu soll § 124a Satz 1 AktG entsprechend ergänzt werden. Dies soll zu erheblichen Erleichterungen in der Praxis führen, ohne dass damit ein Informationsdefizit für die Aktionäre verbunden wäre, da Umfang und Inhalt der Vergütungsunterlagen nicht eingeschränkt werden. In der bekanntzumachenden Einberufung der Hauptversammlung ist zudem unverändert die Internetseite der Gesellschaft anzugeben (§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 AktG), über die die Informationen nach § 124a AktG und damit künftig auch die Vergütungsunterlagen zugänglich sind. Dabei ist zu beachten, dass die Unterlagen für den Aktionär über die angegebene Internetseite leicht auffindbar sein müssen, was unter anderem eine übersichtliche Gliederung der Internetseite erfordert (anwenderfreundlich soll nach Ansicht der Bundesregierung die Bündelung der Unterlagen an einem Ort sein).
Die vorgeschlagenen Änderungen sind aus Sicht der Hauptversammlungspraxis vollumfänglich zu begrüßen. Werden sie Gesetz, kann damit der Umfang der Hauptversammlungseinladung auch bei börsennotierten Gesellschaften wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Das erhöht zum einen in zeitlicher Hinsicht die Flexibilität bei der Vorbereitung der Hauptversammlung, da in der Folge wieder vermehrt mit kürzeren Einladungen von bis zu 25 Seiten gerechnet werden kann, für die der Bundesanzeiger auf Wunsch (bei abgeschlossener Datenübermittlung bis 14 Uhr) eine Veröffentlichung innerhalb von lediglich zwei Publikationstagen ab Einreichung garantiert. Zum anderen sinkt auch das Risiko, eine Korrekturveröffentlichung schalten zu müssen, wenn insbesondere der Vergütungsbericht mitsamt seiner Grafiken nicht mehr im Bundesanzeiger publiziert werden muss, sondern nur noch auf die Website einzustellen ist. Dies stellt daher alles in allem eine wesentliche Erleichterung dar, zumal eine (bislang natürlich nur zusätzliche) Veröffentlichung der betreffenden Unterlagen auf der HV-Website derzeit schon praxisüblich ist und damit keinen Mehraufwand bringen dürfte.
Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass die vorgeschlagenen Änderungen schnellstmöglich Gesetz werden. Auch dann ist allerdings zu beachten, dass die neuen Vorschriften nach dem derzeitigen Entwurf nicht sofort gelten sollen. Vorgesehen ist vielmehr eine derzeit noch nicht exakt berechenbare Übergangsfrist von ca. drei bis vier Monaten, bis die Neuregelungen erstmalig Anwendung finden. Sie sollen erstmals auf solche Hauptversammlungen anzuwenden sein, die nach Ablauf dieser Übergangsfrist einberufen werden. Wünschenswert wäre daher eine schnelle Gesetzesverabschiedung, damit die vorgesehenen Erleichterungen bereits für die HV-Saison 2025 vollumfänglich zum Tragen kommen.