Das OLG Celle hat im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der TUI AG dem Begehren von Aktionären eine Absage erteilt, die im Wege der einstweiligen Verfügung erreichen wollten, dass die Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital bei Ausschluss ihrer Bezugsrechte einstweilen aufgeschoben und die Bezugsfrist verlängert wird. Damit trägt es zur Klärung der Frage bei, wie Aktionäre im Wege einer einstweiligen Verfügung auf Kapitalerhöhungen einwirken können.
Was ist passiert?
Vorstand und Aufsichtsrat hatten beschlossen, das Grundkapital der TUI AG durch Schaffung neuer Aktien aus einem genehmigten Kapital zu erhöhen. Die neuen Aktien wurden auf der Grundlage eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Bezugsangebots den Aktionären zum Bezug angeboten. Nicht zum Bezug der neuen Aktien zugelassen waren indessen zwei als Aktionäre der TUI AG fungierende Beteiligungsgesellschaften. Deren Beteiligungen waren nämlich einer nach EU-Recht1 sanktionierten Person zuzurechnen und somit von Gesetzes wegen vom Bezug auszuschließen. Im engen zeitlichen Zusammenhang mit den Sanktionen waren die Anteile an den Beteiligungsgesellschaften auf den Ehepartner der sanktionierten Person übertragen worden. Sowohl dieser – nur mittelbar an der TUI AG beteiligte – Ehepartner als auch die unmittelbar an der TUI AG beteiligten Beteiligungsgesellschaften selbst beantragten daraufhin beim Landgericht Hannover (Aktenzeichen: 1 O 78/23) im Wege einer einstweiligen Verfügung, die Durchführung der Kapitalerhöhung einstweilen aufzuschieben und die Bezugsfrist somit zu verlängern. Durch diese begehrte Verlängerung der Bezugsfrist beabsichtigten sie, Zeit für eine Entscheidung der Bundesbank zu gewinnen, ihre Bezugs- und Stimmrechte von den Sanktionswirkungen zu befreien, und somit in die Lage versetzt zu werden, die ihnen zustehenden Bezugsrechte geltend zu machen.
Entscheidungen des Landgerichts und Oberlandesgerichts
Weder der Antrag auf eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Hannover noch die gegen die Entscheidung des Landgerichts beim Oberlandesgericht Celle erhobene sofortige Beschwerde (Aktenzeichen: 9 W 41/23) waren erfolgreich.
Das Landgericht Hannover hat den Antrag in erster Instanz noch mit der Begründung zurückgewiesen, dass es an dem für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund fehle. Die Antragssteller hätten sich bis zum letzten möglichen Termin vor dem Ende der Bezugsfrist Zeit gelassen und mehr als zwei Wochen mit ihrem Antrag gewartet, ohne dafür eine tragfähige Begründung vortragen zu können. Damit komme die Figur der sog. Selbstwiderlegung zum Tragen. Danach fehle es an einem Verfügungsgrund, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat, insbesondere, weil er das Verfahren nicht zügig genug betrieben habe.
Auch im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Celle blieb der Antrag erfolglos. Anders als das Landgericht sah sich das Oberlandesgericht allerdings veranlasst, zur materiellen Rechtsposition der Antragsteller Stellung zu nehmen:
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehe den Antragstellern kein Verfügungsanspruch, also keine ausreichende materielle Rechtsposition zu. Für den nur mittelbar an der TUI AG beteiligten Ehepartner der sanktionierten Person folge dies schon daraus, dass er nicht selbst Aktionär sei. Damit fehle es an einer Aktionärsstellung, die ihm ein eigenes Bezugsrecht vermittelte. Denn das Bezugsrecht kommt im Falle der Kapitalerhöhung nur dem Aktionär zu.
Im Hinblick auf die unmittelbar als Aktionäre an der TUI AG investierten Beteiligungsgesellschaften entschied das Oberlandesgericht, dass kein dem Antragsziel entsprechender Anspruch bestehe. Das Aktiengesetz sehe nämlich keine „Aufschiebung“ einer beschlossenen Kapitalerhöhung vor, ebenso wenig wie die gerichtliche Verlängerung einer Bezugsfrist. Die Beteiligungsgesellschaften hätten nach Auffassung des Oberlandesgerichtes vielmehr die ihnen nach ihrer Auffassung zustehenden Bezugsrechte ausüben und diese ggf. einklagen müssen. Im Wege der einstweiligen Verfügung hätten sie der TUI AG allenfalls untersagen können, Zeichnungsverträge mit Dritten abzuschließen, die den von ihnen behaupteten Bezugsrechten zuwiderlaufen.
Bewertung
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erscheint konsequent, auch vom Ergebnis her betrachtet. Denn selbst wenn den Antragstellern ein Aufschub der Kapitalerhöhung sowie eine Verlängerung der Bezugsfrist gewährt worden wäre und die Bundesbank sie sodann von den Sanktionswirkungen befreit hätte, wäre dies bedeutungslos geblieben, solange die Bezugsrechte der Beteiligungsgesellschaften nicht auch tatsächlich fristgemäß ausgeübt werden. Ohne fristgemäße Ausübung wären diese Bezugsrechte schlicht verfallen. Da damit die Ausübung der (vermeintlichen) Bezugsrechte den Dreh-und-Angelpunkt dafür bildet, dass die Antragsteller ihr Ziel im Ergebnis erreichen konnten, scheint es durchaus folgerichtig, wenn das Oberlandesgericht den als Aktionären an der TUI AG investierten Beteiligungsgesellschaften auferlegt, die (angeblich bestehenden) Bezugsrechte – trotz des im Bezugsangebots bestimmten Bezugsrechtsausschlusses – auch tatsächlich auszuüben und mittels der einstweiligen Verfügung zu beantragen, den Bezugsrechten zuwiderlaufende Zeichnungsverträge nicht abzuschließen.
Überraschend ist indes, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts bislang relativ geringen Widerhall gefunden hat. Schließlich wird durch sie die in der Literatur schon bislang vorherrschende Auffassung, unter welchen Voraussetzungen ein Aktionär, dessen Bezugsrechte ausgeschlossen worden sind, auf eine Kapitalerhöhung im Wege einer einstweiligen Verfügung einwirken kann, bestätigt. Die Literatur hatte bereits zuvor gefordert, ein Aktionär habe die von ihm behaupteten Bezugsrechte fristgemäß auszuüben und könne mittels einer einstweiligen Anordnung nur den Abschluss von diesen Bezugsrechten widersprechenden Zeichnungsverträgen untersagen. Dies entspricht der Entscheidung des Oberlandesgerichts. Zwar bezieht sich dessen Entscheidung dabei auf den Sonderfall eines kraft Gesetzes vom Bezug neuer Aktien ausgeschlossenen Aktionärs. Sie dürfte aber ihren Grundsätzen nach auch auf sonstige Fälle des Ausschlusses des Bezugsrechts anzuwenden sein. Nicht zuletzt deshalb ist ihr auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung beizumessen.
Aus Sicht der Praxis ist die Entscheidung vor diesem Hintergrund zu begrüßen. Sie trägt für betroffene Gesellschaften und Aktionäre dazu bei, Rechtssicherheit in der Frage zu verschaffen, wie mit Bezugsrechtsausschlüssen im einstweiligen Verfügungsverfahren umzugehen ist. Attraktiver dürfte es deswegen aber für vom Bezug ausgeschlossene Aktionäre nicht werden, Kapitalerhöhungen im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzuhalten – zumal diese sich Schadensersatzpflichten ausgesetzt sehen, wenn sie eine einstweilige Verfügung erwirken und sich diese später als von Anfang an ungerechtfertigt erweist.
1 Vgl. Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates der Europäischen Union vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.